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Ein weiter Weg II

Schwerte, 12.18.2020 - 08:14 Uhr - Artikel von: Chas York - Lesedauer: Aufgrund einer Streckensperrung, verspätet sich unser Text leider, um 12 Stunden.

Mein Mann machte damals, im Jahre 2012 mit mir schluss und ich war vollkommen am Boden zerstört und dies alles nur, wegen so einem Typen, den ich meinen Mann unbewusst anvertraute ohne, dass ich ihn einmal zu Gesicht bekam. Jegliches Vertrauen in mir selbst und in alle umliegenden Personen, schwand seither um ein Vielfaches und ich wollte einfach nicht mehr mit dem Gefühl leben, dass es jetzt beendet wäre. Zumal ja auch mit einem Mal die Zukunft, die wir gemeinsam geplant und aufgebaut hatten, urplötzlich wie eine Seifenblase zerplatzte.

Aus diesem Grund stand ich, nachdem er mir von seiner Absicht berichtete, die 5-jährige Beziehung mit mir zu beenden, vor dem Spiegel und hielt meinen Gillette-Rasierer in der Hand. Naja ich hatte vor, etwas Dummes zu tun nur mit dem Unterschied; ich wusste nicht wie?! Blöd war in diesem Moment, dass ich mich umbringen wollte - wieso auch immer - aber es nicht über die Bühne bekam. Fast so, als würde mir irgendwas oder irgendwer sagen: "Nö, noch ist deine Zeit zu sterben, nicht gekommen.", und ich glaubte schon lange nicht mehr, an den "einen Gott". Es gab einen Vorteil - es mag jetzt vielleicht makaber klingen - wenn man vorhatte sich umzubringen und man im Grunde, eigentlich keine psychischen Beschwerden hatte und plötzlich, mit dieses unglaubliche Verlangen überspült wurde, das eigene Leben ausknipsen zu wollen, jedoch wenn man Probleme damit hatte, sich selbst Schmerzen zuzufügen. Das ist so ziemlich die gesunde Barriere die man wohl, so glaube ich, besitzen sollte und man lebte, was den Suizid betraf, auf sicherem Fuße. Mit der paradoxen Angst, mir selbst Schmerzen zuzufügen, obwohl ich mein Leben dennoch beenden wollte, legte ich den Rasierer wieder zur Seite und setzte mich auf den Badewannenrand. Hinzu kam noch, dass mir mein - naja - Ex-Mann dann wohl - die Möglichkeiten gar nicht gegeben hatte, mich selbst wegzumachen, weil er mir vor der Tür drohte, die Männer mit der Zwangsjacke zu rufen, wenn ich sie nicht öffnen würde. Allerdings nahm ich seine Rufe nur unterbewusst wahr und setzte mich, mit voller sommerlicher Montur in die Wanne und stellte die Dusche auf kalt. In diesem Moment, wollte ich weinend noch wenigstens etwas spüren und ich dachte mir, dass der sanfte Schmerz der Kälte mich schon irgendwann wieder, auf den Boden der bitteren Realität zurückbringen würde. Ich war und bin noch heute übrigens, ein sehr kälteempfindlicher Mensch der, sobald einmal ein heftiger Wintereinbruch kommt, sofort bitterlich friert, blaue Gliedmaßen bekommt und bei dem der Kreislauf unvermittelt, innerhalb von Minuten, im Keller versinkt. Jedoch in diesem Moment, waren meine Gefühle wohl kälter gewesen, als das Wasser und ich glaubte zu wissen, dass ein Teil von mir, durch das Siphon in die Kanalisation gespült wurde.

Patschnass und leer

Irgendwann, nachdem ich mich unter der kalten Brause gesammelt hatte, fiel mir dann auch auf, dass mein Ex-Mann noch immer gegen die Badezimmertür hämmerte und drohte. Damit er endlich Ruhe geben würde, schloss ich die Tür auf und setzte mich wieder zurück unter die Brause. "Was wird das, wenn das fertig ist?", tatsächlich wollte er das noch von mir wissen? Im Grunde genommen, könnte ihm das nämlich egal sein, weil er wollte ja eh nicht mehr, mit mir zusammenleben. Ich gab ihm, auf diese Frage keine Antwort mehr, weil ich noch immer nicht verstehen konnte, wieso er so urplötzlich solch eine Entscheidung treffen musste. Hinzu kam ja auch noch die Gegebenheit, dass er mir - als ich von meinem Urlaub zurückgekommen war - noch Rosenblätter im Schlafzimmer ausgelegt hatte und mir dabei erzählte, wie sehr er mich lieben würde usw. Nun, dies schien ja dann wohl unweigerlich, gelogen gewesen zu sein oder aber, er wusste diese Angelegenheit wohl wirklich erst, seit ein paar Minuten. Bis zu jenem Tag, gab es eigentlich keinen Moment in meinem Leben, in welchem ich Angst vor meiner Zukunft hatte. Doch in diesem Moment, brach eine Welt für mich zusammen. Als er mir sagte, dass ich mir noch eine eigene Wohnung suchen und alles amtliche regeln müsste, wusste ich auch nicht so recht, wohin mich die Zukunft führen würde. Ich konnte nicht zurück und einen Schritt nach vorne zu machen, traute ich mir noch nicht zu. Immerhin war dieser Schritt zu neu, zu ungewiss für mich und ich wollte in keiner Weise, in ein bodenloses Loch fallen. Jedoch spielte die Psyche einem doch oftmals, einen ziemlichen Streich und man befand sich eigentlich schon, im freien Fall in jenem Loch. Doch bis einem dies bewusstwurde, dauerte es eine Weile und von der Phase der Akzeptanz, war ich in meiner Trauer noch sehr weit entfernt.

Patschnass und seelenleer, kroch ich weinend aus der Badewanne und zog mir die nassen Klamotten aus. Mich verwirrte nur noch, dass er mir schmächtige Worte zu warf, wie heiß ich doch aussehen würde. Bis heute verstand ich noch nicht die Gegebenheit, wie man mit jemandem Schluss machen konnte, aber gleichzeitig sexuell noch etwas von seinem "Ex" wollte. Dazu musste ich aber auch sagen, dass er bis dato, mein längster Partner gewesen war, mit dem ich durch Dick und Dünn gegangen war. Zugegeben, in der Zeit vor der Trennung wohl vermehrt durch Dick, als durch dünn. Aber wir hatten viele schöne Tage - an denen ich auch sehr oft unter der Brause nachdachte - aber leider auch viele Schlechte. In einer Beziehung durfte man sich davon allerdings auch nicht entmutigen lassen; jede Beziehung beinhaltete nun mal auch, schlechte Zeiten. Aber, dass mein Ex nun den Schlussstrich eines Tages ziehen würde, darüber dachte ich bislang nie nach und dies schien wohl unweigerlich, mein Fehler gewesen zu sein. Ich fühlte mich sicher, dass so etwas wie eine Trennung und damit das Ende unserer gemeinsamen Zeit, nie eintreten würde. Wie denn auch? Immerhin fand ich mich mit seinen Eigenheiten zurecht, die mir immer auf den Keks gegangen waren und ich glaubte zu wissen, dass er sich auch damit abgefunden hätte. Naja, dem war wohl nicht so. Dann kam in mir dieses Gefühl auf, Schuld an seiner Entscheidung zu sein. War ich ihm plötzlich zu hässlich geworden? War ich im Bett für ihn, nicht mehr gut genug? Und die wichtigste Frage aller Fragen, die ich mir stellte war: "Was hat der neue Typ, was ich nicht habe?", ja, diese Frage konnte ich mir nicht beantworten, weil ich mir bislang immer sichergewesen war, dass meine sexuellen Eigenschaften sicherlich nicht mies gewesen waren. Naja, dann kam halt der Moment, in welchem man an seinem Körper herabblickte und feststellte, dass man wohl etwas zugelegt hatte. Aus meinen ursprünglich drahtigen 60kg, wurden mit der Zeit, noch immer drahtige 70kg. Nur wegen dieses bisschen Fett, was ich auch als "Beziehungsbauch" betitelte, machte er schluss? Das war außerdem eine weitere Frage, die ich mir selbst stellte.
Also ich war wirklich nicht fett. Aber, wenn man nach dem BMI gehen würde - was übrigens der reinste Quatsch und individuell auch gar nicht anwendbar ist - wäre ich übergewichtig gewesen. Andere hingegen, sahen mich als normal an. Nun gut, früher machte ich regelmäßig Sport, bei Wind und Wetter. In dieser Zeit jedoch, empfand ich Sport nur noch als Qual und verzichtete demnach darauf. Naja und das Rauchen fing ich dann auch unweigerlich mit 23 Jahren an, sodass mir der Sport ohnehin nicht mehr körperlich gutgetan hätte. Aber man betrachtete sich selbst und stellte dann plötzlich Dinge an seinem Körper fest, die der Ex-Partner womöglich, als störend empfinden konnte und eh man sich versah, klatschte man in sein bodenloses Loch, mit voller Wucht auf. Man hatte auf einmal, die Lösung im Kopf gehabt, die einem augenscheinlich, alles erklären würde. Ob es sich dabei jedoch, um die Wahrheit gehandelt hatte, spielte in diesem Augenblick keine Rolle mehr. Man war stets der festen Überzeugung, dass der Fehler, bei einem selbst liegen würde. Doch in Wirklichkeit, war der Ex die fehlerhafte Komponente im Leben gewesen. Immerhin dachte ich nie daran, nur weil es mal schwierig in der Beziehung wurde, den Schlussstrich zu ziehen. Naja, ob es sich nun, um die Wahrheit handelte oder ich es mir nur selbst einredete, würde mir meinen Ex-Partner sicherlich nicht beantworten. Dessen war ich mir ziemlich sicher gewesen. Immerhin zerstörte er, noch vor wenigen Minuten, mein Leben und die Antwort: "Du bist mir zu fett geworden." oder "Du hast Mundgeruch." hätten vielleicht dafür gesorgt, dass ich mir doch das Leben nehmen würde.

Der Trauergang

Eigentlich hätte ich ihm am liebsten abgesagt, weil ich auf Grund dieser Gegebenheit, mal vollkommen vergaß, dass unser gemeinsamer Freund zu uns kommen wollte. Nur mit dem Unterschied, dass er, während mein Ex mir von meiner möglichen Zukunft berichtet hatte, längst schon unterwegs gewesen war. Immerhin kam er aus einer Nachbarsstadt zu uns, da sagte man nicht, auf dem letzten Drücker ab. Was nun kommt, dies hatten wir eigentlich selten, bis fast nie gemacht. Aber wir gingen an diesem Vormittag zu Dritt spazieren. Eigentlich hatte ich darauf keine Lust und wollte ursprünglich, alleine zuhause bleiben. Was mich richtig fuchsig machte war die Situation, dass mein Ex sich vollkommen normal gegenüber unseres Gastes, verhalten hatte. So, als wäre überhaupt nichts zuvor passiert. Das machte mich fuchsteufelswild und ich sprach, während wir spazieren gingen, nicht einen Ton. Ich war so still, wie zuletzt als Kind, als mein Vater mir damals Manieren beigebracht hatte. Unser Spazierweg führte uns über die Westfaliastraße bis hinunter zum Hafen, zu welchem wir gelangt waren, nachdem wir über die Franziusstraße, zum Fredenbaum spazierten. Da unser Freund seinen Hund mit dabeihatte, bot sich ein Spaziergang am Dortmund-Ems-Kanal entlang, super an. Normalerweise freute ich mich sehr, wenn ich meine Lieblingshündin wieder sehen konnte und spielte mit ihr auch sehr gerne. Doch an diesen Tag nicht. An diesen Tag war ich nicht mehr ich selbst. Meine Seele befand sich, in diesem Moment irgendwie, auf Reisen und manchmal konnte ich mich sogar selbst dabei beobachten, wie ich mit gesenktem Kopfe, durch die Straßen geschlendert war.

Meine Stimmung befand sich buchstäblich im Keller. Nein, besser noch; sie war nicht mehr existent. Alle äußeren Einflüsse, selbst wenn unser gemeinsamer Freund mich versuchte, in Gespräche mit einzubinden, prallten spurlos von meiner Haut ab, wie Phaser-Stöße von einem Schutzschild, eines Raumschiffs. Ich hörte und sah nur noch, mit einem Tunnelblick voraus und mein Bewusstsein, sperrte alles, was von außen her auf mich zukam, vollkommen aus. Nichts kam in mein Gehirn mehr rein, weil dafür augenblicklich, kein Platz mehr verfügbar war. Ich lud meine Gedanken und meine Erinnerungen, meine Erlebnisse buchstäblich, in eine Cloud hoch und war vollkommen teilnahmslos. Das Einzige was ich wahrnahm, war der Weg vor mir, die Umgebung in welcher ich mich derzeitig aufhielt und der Rest, drang einfach nicht mehr zu mir durch. Wie in einem bizarren Traum, der unaufhörlich weiterging, weil die Stopptaste defekt gewesen war, erlebte ich diese Minuten, die mir vorgekommen waren, wie Stunden, Tage und sogar Wochen. Irgendwann kamen wir dann wieder - wir schienen im Kreis gelaufen zu sein - an dieses Gebilde, in der Westfaliastraße an und liefen wieder zurück zu uns nach Hause. Wir wohnten am Rande der Nordstadt an der Gebietsgrenze zum Dortmunder Hafen. Für mich zählte dieser Bereich wo wir einst gewohnt hatten, nicht mehr wirklich zur Nordstadt. Diese befand sich für mich eher so, ab der Schützenstraße, Mallinckrodtstr., Münsterstr. und vielleicht auch noch die Grüne-Str. Aber da wir in unserer Straße kaum Scherereien hatten und das Leben dort auch nicht so gefährlich schien, zählte für mich dieser Bereich, nicht mehr zur Nordstadt obwohl es, geografisch gesehen, durchaus noch dazugehörte. Als unser gemeinsamer Freund, sich wieder nach Hause begeben hatte, packte ich meine Sachen und wollte einfach nur noch aus der Wohnung raus. Ich wollte eigentlich nicht lange wegbleiben, aber man konnte immerhin nicht einschätzen, was einem die Zukunft bringen würde. Dies konnte ich ja leider auch nicht, in der Beziehung zwischen mir und meinem Ex. Ich musste die Möglichkeiten nutzen, meine Gedanken zu erforschen und musste für mich klarwerden lassen, wie es nun weitergehen sollte. Eine Sache stand definitiv fest: Ein Dach überm Kopf, brauchte ich auf jeden Fall, weil es für mich undenkbar gewesen wäre - und für meine Mutter auch - bei ihr zu wohnen. Länger als vier Wochen, hätte sie mich ohnehin nicht, bei sich wohnen lassen dürfen, da sonst das Amt, ihre Geldleistung beschnitten hätte und dies, wollte ich meiner Mutter nicht auch noch zumuten. Außerdem hatte ich keine Lust dazu gehabt, mir ständig anhören zu müssen, was für ein Monster doch, ihre Schwester gewesen war. Klar, ich sah dies auch so, aber durch sie, wurde meine Mutter unangenehm paranoid und da ich selbst, unter Liebeskummer litt, wollte ich mir ihre Portion Leid, nicht auch noch seelisch dazu packen. Naja, und zwischenzeitlich konnte meine Mutter auch mal anstrengend werden.

Weiter geht es, im nächsten Beitrag, welcher unmittelbar folgen wird

Cheerio

Bilder: Google-Maps/ Chas York 2016 (Hafen Westfaliastraße)
Text: Chas York
(C) by YORK INTERNATIONAL / VERLAG BJÖRN SCHUBERT 2012 / 2021
Auszüge aus dem Tagebuch von Chas York

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