Ein weiter Weg III
Schwerte, 12.18.2020 - 10:21 Uhr - Artikel von: Chas York - Lesedauer: Bis der Postbote zweimal klingelt.
Es war an diesen Tag, unglaublich sonnig und ich erklärte mich dazu bereit, die gemeinsame Bleibe von meinem Ex und mir, zu verlassen. Dieser Spaziergang am Kanal und die Tatsache, währenddessen kein Wort äußern zu können, schien mir zu viel geworden zu sein. Hinzu kam die Gegebenheit, dass mich das Gesicht meines Ex-Mannes, immer wieder an die zukünftige Trennung und die Zukunft selbst erinnerte und ich wollte einfach das Gesicht nicht mehr sehen, dass mich so dermaßen verletzt und im Stich gelassen hatte. Zumal er auch vorher die Frechheit besaß, mich mit seinen Rosenblättern und den Liebesbekundungen, in die Irre zu führen. Scheinbar klappte es halt sehr gut, denn mit dieser Taktik, schien er mich auch in Sicherheit zu wiegen.
Zuhause in unserer gemeinsamen Wohnung dann, packte ich meine Sachen, in einen großen Wanderrucksack und nahm alles mit, was ich tragen konnte. Mein iPad, mein kleines Laptop und meine externe Festplatte, auf welcher ich meine persönlichen Daten gespeichert hatte. Alle Ordner darauf, waren stets passwortgeschützt und konnten nur mit einem Stick, den ich ebenfalls mitnahm - logischer Weise - entsperrt werden. Bevor ich das Haus verließ, lud ich mir noch viel Musik auf mein Handy herunter, weil ich nicht genau einschätzen konnte, wie lange ich eigentlich wegbleiben würde. Ich hatte kein Ziel und auch keine Pflichten mehr. Ich konnte hingehen, wohin ich wollte. Allerdings konnte ich nur gehen. Für Fahrten mit dem Bus oder der Bahn, fehlte mir leider, das dafür notwendige Kleingeld. Ich besaß immer nur standardmäßig, ein paar Cents in der Tasche, für Notfalltelefonate an der Telefonzelle. Schon als Kind hatte ich immer - es gab ja damals noch keine Handys - ein paar Groschen dabeigehabt, um zur Not bei meinen Eltern durchfunken zu können, wenn etwas nicht stimmte oder ich Hilfe benötigte, um wieder nach Hause zu finden. Nachdem ich alles fertig hatte und meine Sachen zusammenpackte, setzte ich mir den schweren Rucksack auf den Rücken und brummte meinem Ex-Mann ins Gesicht: "Ich haue dann mal ab. Hier bin ich dann wohl unerwünscht wie es scheint.", mit tränen im Gesicht verabschiedete ich mich von ihm, ohne ihn zu umarmen. Sonst taten wir dies stets, weil wir uns nur voneinander verabschieden mussten, wenn ich oder er mal alleine, in den Urlaub fuhren. Dabei umarmten wir uns jedes Mal und küssten uns innig. Doch an diesem Tag des 14.08.2012 nahm ich als letzte Handlung, meinen Ehering vom Finger, legte diesen vor seinen Augen auf dem Schreibtisch und wollte die Wohnung verlassen: "Du musst nicht gehen. Du kannst hier so lange wohnen bleiben, bis du dir eine eigene Wohnung gesucht hast. Wir stehen immerhin beide im Mietvertrag und es ist auch deine Wohnung.", er versuchte mir einzureden, dass mein Weggang doch ziemlicher Käse, in seinen Augen wäre und wollte mich ermutigen, in dieser Wohnung zu bleiben. Nur mit dem Unterschied, dass ich vorgehabt hatte, wieder nach Hause zurückzukommen, sobald ich mir sicher gewesen wäre, meine Gedanken entsprechend sortiert zu haben. Doch in dieser Behausung, konnte ich es einfach nicht.
Ein weiter Weg
Also verließ ich diese Wohnung und ging zu meiner Mutter, die in Dortmund-Marten wohnte. Ich lief den gesamten Weg, von Zuhause bis zu ihrer Wohnung zu Fuß und schaltete den Flugmodus des Handys ein, damit er mich nicht die ganze Zeit, mit Textnachrichten bombardieren konnte. Natürlich gab es, seit 2009 auch schon WhatsApp und ich konnte diesen Messenger auf dem Mobiltelefon allerdings nur nutzen, wenn ich entweder; im häuslichen oder öffentlichen WLAN-Netz war oder, wenn ich mein Guthaben aufgeladen hatte, um mir entsprechendes Datenvolumen zu buchen. Ansonsten konnte ich nur, diese standardmäßigen SMS-Nachrichten versenden, die mir jedes Mal 0,09€ gekostet hatten. Auf meiner Karte, hatte ich allerdings nur noch 4€ draufgehabt, wovon ich leider weder Datenvolumen von 512MB buchen oder allzu viele SMS verschicken konnte. Immerhin wusste ich ja nicht, was meine Zukunft bringen würde und es wäre vielleicht irgendwann wichtig geworden, über ein gewisses Guthaben zu verfügen, um vielleicht Mal, ein Taxi rufen, oder notfalltechnisch jemanden erreichen zu können, der mir aushelfen würde. Die Herausforderung bestand allerdings darin, dass ich kaum eigene Freunde besessen hatte und riefe ich irgendeinen von unseren Gemeinsamen an, wüsste mein Ex dann sofort, über meine missliche Lage Bescheid und hätte sich einklinken wollen. Bei ihm war es so; nur, weil man nicht mehr zusammen war, bedeutete dies noch lange nicht, dass man aus der Welt wäre. Ich war allerdings noch nicht bereit dazu, ihm freundschaftlich zu entgegnen und wanderte entsprechend, ohne Kontakt zu ihm zu suchen, zu meiner Mutter.
Wir hatten Grund zum... Saufen!
Meine Mutter konnte, hin und wieder Mal, ein perfekter Partylöwe sein. Besonders dann, wenn es einem von uns in der Familie, elendig gegangen war. Meine Schwester war inzwischen 18 geworden und sollte, im Oktober 2012, ihr 19. Lebensjahr erreichen. Sie durfte also, wenn es nach ihr gegangen wäre, alkoholische Getränke konsumieren. Doch unsere Tante sah es nie so gerne, wenn sie, oder unsere Mutter getrunken hatte. Was mich anging, war es ihr egal was ich tat. Seit ich mich nämlich einmal gegen sie gewandt hatte, wollte sie von mir nichts mehr wissen. Zugegeben; ich auch nicht. Vor allem nicht, nach der Situation als ich damals im Jugendheim war und sie mir ständig Steine in den Weg legen musste. Blöd war halt damals, dass sie meine Schwester ziemlich in ihrer Fittiche hatte und wir stets vorsichtig sein mussten, was ich oder unsere Mutter taten. Unweigerlich wäre dies dann irgendwann, bei unserer Tante gelandet und hätte, für unsere Mutter dann, kein angenehmes Erlebnis beschert. Doch an diesen Tag meiner Trauer hatte ich wohl, mehrere Gründe zum Saufen, als zum Feiern vorweisen können, weil mein Ehemann mich verlassen hatte. Ich bin ehrlich: Ich schüttete mir den Kopf zu, damit mich meine Gedanken nicht mehr kontrollieren konnten. Dieser Zwang, ständig auf sein Handy zu schauen, ob der Ex nicht vielleicht eine Nachricht geschrieben hätte, dass er die Trennung doch nicht vollziehen wolle, machte mich so fertig, sodass ich keinen anderen Weg sah, mich mit Alkohol zu betäuben. Sicherlich der falsche Weg, aber es half mir in diesen Moment wirklich, meinen Kopf für einen Augenblick frei zu bekommen. Ich weiß ehrlich gesagt nicht mehr, wieviel wir eigentlich von diesem Bier getrunken hatten. Naja, wieviel ich davon getrunken hatte, wusste ich nicht mehr. Aber gekauft hatten wir so ca. 12 Flaschen, also müsste jeder eigentlich vier bekommen haben. Das "Hansa-Pils", was ein typisch Dortmunder Bier war und auch in dieser Stadt, traditionell gebraut wurde, benannte man auch in Fachkreisen als "Pennerbier". Es war günstig an der Bude erhältlich und schien bei jedem Obdachlosen wohl, zur Standardausrüstung zu gehören. Wie dem auch sei. Da uns aber vier dieser 0,5er-Flaschen nicht auszureichen schienen, ging ich nochmal zu einer Trinkhalle in Marten und kaufte Flaschen, einer weiteren Dortmunder Biermarke ein. "Kronen-Pils". Dies war die etwas gehobene Biermarke dieser Stadt und schmeckte aber auch, etwas bitterer. Allerdings eher im Abgang.
An diesem Abend, müsste ich so mein 8. Bier getrunken haben, bevor ich dann ins Bett gegangen war. Naja, ich glaubte eher, dass ich einfach eingeratzt war, weil ich mich daran erinnerte, wie ich am nächsten Tag, mit einem fetten Kater auf dem Sofa meiner Mutter aufgewacht war und einen brummenden Schädel verspürte, als hätte mir irgendwer, einen Hammer auf den Schädel gepfeffert. "Nie wieder Alkohol!", dachte ich mir, als ich ins Bad gegangen war und direkt aus dem Wasserhahn, 100 Schluck Wasser trank, in der Hoffnung, dass die Kopfschmerzen dadurch verschwinden würden. Leider musste ich mir dann eine Schmerzpille einwerfen, weil mein Plan leider nicht, aufgegangen war. Durch meinen verzweifelten und übermäßigen Alkoholkonsums, hatte ich ganz vergessen - ich hatte wohl einen Filmriss - wieso ich überhaupt bei meiner Mutter aufwachte und nicht, wie es sich gehörte, zuhause in meinem Bett. Also ging ich gefühlt, sturzbetrunken, wieder nach Hause und erst, als ich vor der Tür gestanden hatte, fiel es mir wieder ein. Ich war ja dort nicht mehr zuhause. Obwohl unser Name auf dem Klingelschild gestanden hatte, fühlte ich mich wie ein Fremder, der wohl aus einer anderen Zeit gekommen war. Aus einer Zeit, in welcher ich einst noch glücklich dort, meine Zeit verbracht hatte. Vor der Haustür, schaltete ich den Flugmodus meines Handys wieder aus und erhielt, eine Reihe von Textnachrichten. Zwei davon, waren von meinem Ex-Mann und ich las sie mir durch.
Er wollte wissen, wo ich mich aufhielte und mache sich Sorgen, hieß es. "Wieso macht er sich Sorgen um mich? Er will doch nicht mehr mit mir zusammen sein?", fragte ich mich selbst und da wurde mir plötzlich etwas bewusst, was ich irgendwie wieder verdrängt hatte: Ein paar Stunden später, als ich bei meiner Mutter bereits, die zweite Bierflasche geöffnet hatte, rief er bei ihr an und erkundigte sich bei ihr, nach meiner Wenigkeit. Da ich meiner Mutter allerdings befohlen hatte, dass sie ihm auf keinen Fall sagen solle, dass ich bei ihr wäre und sie sich auch dran hielt, gab es für meinen Ex wohl kaum noch einen Ort, wo ich mich hätte aufhalten können. Manchmal - und dies musste ich zugeben - war ich schon echt, eine gute Drama-Queen und sorgte stets dafür, dass Menschen krank vor Sorge werden konnten. Aber dies hatte mein Ex, für das was er mir angetan hatte, durchaus verdient. Er sollte mal spüren wie es war, jemanden so heftig zu zerstören, wie er es bei mir gemacht hatte. Ganz so funktioniert, wie ich es mir allerdings vorstellte, hatte es nicht. Er sollte nach meinen Vorstellungen, so krank vor Sorge werden, dass er seine Meinung bezüglich der Trennung, ändern würde. Naja, als ich die SMS dann, vor meiner Haustür beantwortete, erhielt ich bloß nur, eine ernüchternde Antwort zurück, dass ich wieder nach Hause kommen solle, weil wir noch ein bisschen was, zu bereden hätten. Bei mir war es immerhin ziemlich ungewöhnlich, dass ich ohne Vorankündigung, über eine Nacht weggeblieben war.
Da ich, bevor ich unsere gemeinsame Wohnung verließ, meine Schlüssel dagelassen hatte, klingelte ich widerwillig bei meiner eignen Wohnung und wartete, bis der Summer mich in den Hausflur einließ. Das musste man sich mal vorstellen, wie befremdlich dieses Gefühl war, in meinem eigenen Haus zu klingeln. Sowas gab es eigentlich nur, wenn ich meinen Schlüssel mal versehentlich vergessen hatte. Nach der Pleite allerdings vor zwei Jahren und dem überteuerten Schlüsseldienst, kam dies eigentlich nie wieder vor. Ich stand daraufhin in unserer Wohnung und ich traute meinen Augen nicht. Er kochte und schien auf mich, einen fröhlichen Eindruck zu machen. "Oh, vielleicht macht er doch nicht schluss und kocht für uns.", dachte ich mir im Stillen und freute mich regelrecht auf das, was nun vor mir liegen würde. "Schatz, bringst du mir mal eine Schere aus dem Arbeitszimmer?", rief mein Männe durch die Küche. Ich wunderte mich nur, weil er gesehen hatte, dass ich nicht durch die Küche gegangen war, um zum Arbeitszimmer zu gelangen, sondern direkt durch, zum Wohnzimmer, um meinen Rucksack dort abzustellen. "Ich bin gerade im Wohnzimmer. Du bist, glaube ich, gerade näher am Schreibtisch Hasi.", rief ich zurück und als mein Mann daraufhin, mit heruntergezogenen Augenbrauen und mit dem Kochlöffel in der Hand, in der Wohnzimmertür stand und zu mir meinte: "Ich meinte nicht dich Björn.", blickte ich ihn ziemlich verwirrt ins Gesicht. Ja sogar leicht verstört. Als ich daraufhin in der Küchentür stand und einen dicklichen jungen Mann erblickte, der meinem Männe eine Schere überreichte und ihn einen offensichtlichen Kuss auf die Lippen drückte, war ich verstörter als vorher. "Echt jetzt?!", ich brummte ihn, voller Zorn an und war fassungslos. "Ne, das ist mir jetzt echt zu strange. Ich verpisse mich hier, für immer!", zornig warf ich einen Kugelschreiber auf den Boden vor die Füße meines Ex-Mannes und rannte weinend ins Wohnzimmer, schnappte mir meinen Rucksack und verschwand einfach aus der Wohnung hinaus. "Bleib doch mal hier. Ich würde dir das gerne erklären!", er wollte mir sicherlich nur ins Gesicht sagen, dass er mich einfach ersetzt hätte und offensichtlich auch noch, diesen Typen bei uns wohnen ließ. Aber ich ignorierte ihn völlig, nahm mein Handy, steckte tränenüberströmt die Kopfhörer ins Ohr und lief einfach weg. Ich wollte danach nichts mehr hören, außer meine Musik und meine Gedanken.
Weiter geht es, etwas später.
Cheerio
Teilen:
Kommentare
Einen Kommentar schreiben