Langsam wird das Leben nervig
Schwerte, 11.11.2022, 09:00 Uhr - Artikel von: Björn Schubert (Chas York) - Lesedauer ca.: 9 Minuten, vielleicht auch 10.
Schwerte bei Abenddämmerung - Bild: Björn Schubert 2021 |
Manchmal bekam man das Gefühl, dass, wenn einmal eine Herausforderung aufkommt, dass gleich eine ganze Bandbreite von Problematiken passiert, die einem gehörig den garausmachen können. Gleichwohl musste man natürlich auch sagen, dass sicherlich auch wieder gute Tage aufkämen. Doch in diesem Jahr, sah ich diese Gegebenheit nicht so stark und naja, ich war froh, dass dieses verkorkste Jahr, endlich vorüber wäre, auch, wenn ich insgeheim schon ahnte, dass das Nächste sicherlich nicht besser werden würde.
Am 26.10.2022, starb Devil, mein geliebter schwarzer Kater, im Alter von 18 Jahren. Aber, um mal von vorne anzufangen, gehen wir mal ein paar Tage zurück. Es war der 17.10.2022 und mein Mann, brach die Schule ab. Nicht, dass mich dies gestört hätte... im Gegenteil. Seine Beweggründe diese Schule zu verlassen, verstand ich voll und ganz. Er wurde nämlich von einer Lehrerin, ständig heruntergemacht und dies psychisch zu bewältigen, hätte mich vermutlich auch zur selbigen Entscheidung gebracht. Vor allem dann, wenn man psychisch, sehr labil und sensibel war. Damit wir baldig nicht ohne Geld dastünden, wollte sich mein Mann, mit seiner Schneiderei selbstständig machen, weil er nämlich in seinem letzten Praktikum im Sommer, einiges lernen konnte. Eine Selbstständigkeit zu bewirken, empfand ich persönlich immer schon, als besonders herausragend, weil die Chefs - besonders in der aktuellen Zeit - ziemlich mies und unfair drauf waren. Natürlich wollte ich mich auch schon des Öfteren, verselbstständigen. Jedoch machte ich mich, der Utopie bewusst, dass dies wohl kaum machbar für mich wäre. Dafür besaß ich, schlicht und ergreifend, zu viele Schulden. Zwar brannte davon bisweilen nichts an, dennoch waren sie aber da.
Mein Mann setzte alle Hebel in Bewegung, seine Selbstständigkeit, nach seinem Schulabgang in die Wege zu leiten und dies, ohne Eigenkapital. Aus meiner Erfahrung lernte ich, dass eine Selbstständigkeit ohne Eigenkapital zwar möglich wäre, aber dennoch sehr schwierig zu gestalten war. Schließlich versuchte es, mein bester Freund damals auch und scheiterte, weil er nicht ausreichend verdienen konnte. Nun gut. Man konnte aber schwerlich, einen Autohandel mit der Bekleidungstechnik vergleichen und das Konzept von Niels, war eigentlich, ziemlich vielversprechend. Er nahm sich seine ehemalige Chefin aus seinem Praktikum zum Vorbild, die es auch von 0 auf 100 schaffte, ein Business aufzubauen.
Das Jobcenter im Wege
Da mein Mann über 3 Jahre lang BAföG erhielt und dies als Aufstocker beim Jobcenter, erhielt ich weiterhin, meine anteiligen Leistungen von der Stütze, womit wir Beiden, wenn wir dies zusammenwarfen, gut leben konnten. Klar, wurde es in der letzten Woche eines Monats ziemlich knapp, vor allem dann, wenn man natürlich ein Auto zu füttern hatte. Doch wir kamen über die Runden. Im August dieses Jahrs jedoch, stand der sogenannte 'WBA' (Weiterbewilligungsantrag) vor der Tür und für September, wurden unsere Leistungen, für ein paar Wochen gestoppt. Folglich erhielten wir - wie ich einst im Juli bereits erwartete - keine Leistungszahlung zum 31.08.2022. Die Bearbeitungszeit des Weiterbewilligungsantrages dauerte, wie auch schon am Telefon mitgeteilt, 4-6 Wochen und dies auf die Monate, Juli, August und September gerechnet, bedeutete dies für uns, dass wir erstmal keine Zahlungen erwarten konnten. Zum 15. September endlich, erhielten wir dann rückwirkend unsere Leistungen und konnten verspätet, die Miete und die sonstigen Rechnungen begleichen.
Änderungen
Es gab, bis zu obengenannten September-Tag, keinerlei Änderungen bei uns, was uns ziemlich verwunderte. Gerade aber, als wir die Zahlungen verspätet erhielten und all unsere Rechnungen bezahlten, kam der Vermieter an und teilte uns, eine Mieterhöhung ab November mit und zudem auch noch, eine Nebenkostenabrechnung, bei welcher wir rund über 200€ nachzahlen mussten. Da ich nun wusste, dass das Amt diese Nebenkosten übernähme, reichte ich diese Rechnung entsprechend, bei der Agentur für Arbeit ein und wusste schon im Vorfeld, dass wir sicherlich zum Ende Oktober hin, keine Kohle erwarten bräuchten. Da ich nun schon so lange beim Jobcenter war, kannte ich deren Macken nur zu gut. Es kam dann, zum Ende Oktober, weder eine 'Aufforderung zur Mitwirkung', noch sonst eine Meldung bei uns an und mir war klar, dass wir kein Geld zu erwarten hätten. Dem war auch teilweise so. Ende Oktober bekamen wir dann nur so viel, sodass wir gerade eben so, die Miete und den Strom, sowie eine Schuld von mir, davon bezahlen konnten und zum Leben, reichte es nicht aus. Dies kam jedoch deswegen, weil mein Mann seine Gewerbeanmeldung, mitte Oktober dort einreichte und dies setzte natürlich wieder, eine erneute Prüfung des Jobcenters im Gange. Meine Vermutung lag darin, dass diese Meldung über die Mieterhöhung, die erste Untersuchungswelle von 4-6 Wochen auslöste und die Einreichung der Gewerbeanmeldung, verlängerte diese Prüfung nochmals, um dieselbe Zeitspanne.
Jobcenter Dortmund - Bild: Google-Maps-Screenshot von: Björn Schubert 2022 |
Keine Leistungen, kein Fressen im Hause
Seit Ende Oktober, lebten wir förmlich vom Kleingeld, von der Pfandflaschen-Rückgabe oder aber, von Personen die uns aushalfen. Doch auch die, konnten uns nicht mehr helfen, weil wir immer mehr gebraucht hätten, um einigermaßen vernünftig über die Runden kommen zu können. Dann starb am 26.10.2022 auch noch Devil und der Tierarztbesuch zog uns finanziell auch noch die Schuhe aus. Es war zum Mäusemelken und wir wussten auch nicht mehr so recht, wo wir stehen würden. Den Tierarztbesuch, bekamen wir irgendwie bezahlt, dank unserer Connection. Doch danach war bei dieser Connection auch nichts mehr zu holen und unsere einzige Geldquelle versiegte. Das Tierkrematorium, um unseren Devil einäschern zu lassen, kostete entsprechend auch nochmal, ein paar Euro, wo wir uns auch wieder aushelfen lassen mussten. Hinzu kam noch, dass wir auch noch etwas zum Essen brauchten und gewiss, auf viele Dinge, die bei uns Standard waren, schon früher verzichten mussten, als gewöhnlich.
Gerade als wir dachten, es könne nicht mehr schlimmer werden, als es eh schon wäre, kam dann auch noch sowas auf. Wir wollten nach Wuppertal mit 'Beppo' fahren, um Devils Asche abzuholen, als ich den Motor des Autos startete und ein lautes Brummen vernahm, fast so, als wäre der Auspuffstutzen defekt. Der Motor war so ohrenbetäubend laut, sodass ich mich fragte, was denn bitteschön am Fahrzeug sein könnte, was dieses laute Motorgeräusch erklären würde. Man musste sich vorstellen, dass ich am 05.11.2022 zuletzt, in der Nacht damit, zur Aral-Tankstelle auf der Hörder Straße in Schwerte fuhr, um mir Zigarettenhülsen zu kaufen. Da lief das Fahrzeug aber noch, wie Schmidts Katze und der Motor lief, einwandfrei. Vier Tage, nach meiner letzten Fahrt damit, stand Beppo auf unserem Privatparkplatz vor unserer Haustüre und wurde auch nicht bewegt. Naja und in dieser Zeit schien sich wohl irgendwer, daran zu schaffen gemacht zu haben, weil die Auspuffpfanne auf dem Boden lag. Wie ich bereits sagte; das Fahrzeug war, nachdem ich es das letzte Mal verwendete, in einem einwandfreien Zustand. Vielleicht ein bisschen schmutzig und im Innenraum, ein wenig unaufgeräumt. Aber vom Motor her, war alles im grünen Bereich.
Diese große Metallpfanne des Auspuffs, lag auf dem Asphalt unseres Parkplatzes und mir war sofort klar, dass dort jemand unseren Katalysator abmontiert hätte und natürlich, gab es dafür, weder Zeugen, noch Beobachtungen oder eine Kameraüberwachung, was uns sicherlich zum Nachteil werden würde. Klar, konnten wir die Polizei rufen, was logischerweise auch der korrekte Weg war, weil man eine Anzeige und dem daraus resultierenden Aktenzeichen der Versicherung nennen musste. Allerdings lernte ich im Internet die Preise für die Reparatur kennen und naja, leider durfte man das Fahrzeug auch nicht mehr bewegen. Demnach war mir klar, dass es abgeschleppt und zur Werkstatt gebracht werden müsste. Das alles nicht günstig werden würde, war uns durchaus bewusst und eigentlich, befände sich das Fahrzeug nun, in einem wirtschaftlichen Totalschaden. Der Einbau eines neuen Kats, konnte unter Umständen, bis zu 1000€ kosten, wenn man die Teilebestellung, den Transport zur Werkstatt und die Reparatur selbst, berücksichtigte.
Die Nerven lagen blank
Wir hatten keine Kohle, mussten baldig irgendwie 150€ für die Selbstbeteiligung der Versicherung zusammenkratzen, es waren noch einige Rechnungen offen, die wir leider nicht bezahlen konnten, baldig würde das Handy und das Festnetztelefon gesperrt, weil auch diese Rechnung nicht beglichen werden konnte und beim Jobcenter, erreichte man telefonisch, so gut wie gar keine, verantwortliche Person. Dabei spielte es keine Rolle, wann und wie oft man anrief. Entweder man erhielt die Nachricht in der Warteschleife, dass zu viele Personen dort angeblich anrufen würden und, dass man später anrufen solle oder, was das Lustigste war; nannte man seine BG-(Bedarfsgemeinschafts) Nummer, wurde man direkt in der IVR abgewiesen. Diese IVR (Interactive Voice Response) war, dieser automatische Sprachcomputer, der vor einer Warteschleife einem, gehörig auf die Nerven gehen konnte.
Es gab so viel zu tun und das Telefonieren mit dem Jobcenter, konnte viel Zeit stehlen - Bild: Björn Schubert 2022 |
Irgendwann, kam ich dann mal zu jemandem durch und erklärte ihm die Sachlage, dass ich bereits an diesem Montag anrief und einen finanziellen Notstand verkündete. Der freundliche Herr am Telefon, konnte mir aber keinen plausiblen Grund nennen, wieso die Leistungen bislang noch nicht ausgezahlt wurden, geschweige denn, wieso die Notstands-Auszahlung nicht erfolgte. Schließlich wollten die sich am kommenden Tag, nach meinem ersten Anruf, bei mir melden. Naja, hatten sie aber nicht. Bis heute, wartete ich geduldig ab und letztlich, weil wir wirklich nichts mehr zum Futtern im Haus hatten, rief ich an, um mich nach einem Stand zu erkundigen. Bislang rührte das Jobcenter keinen Finger, was mich ziemlich verdrießlich stimmte. Also gingen wir dorthin um persönlich vorzusprechen und endlich, bekamen wir dann eine Barzahlung.
Der Kat ist das größte Problem
Ganz den Großeinkauf konnten wir dann aber nicht sonderlich machen, weil wir schließlich das Auto nicht verwenden konnten und die ganzen Klamotten zu schleppen, hätte ich nicht mehr bewältigt. Schließlich gewöhnten wir uns daran, sämtliche Großeinkäufe ständig, mit dem Auto zu machen und dies, war technisch gesehen, zwar möglich, praktisch jedoch nicht, weil das Fahrzeug nicht mehr bewegt werden durfte. Zu hoch wäre die Lärmbelästigung und wegen des fehlenden Katalysators, wurden die Abgase auch nicht mehr gereinigt. Beppo blieb erstmal stehen, soviel stand fest und naja, wenn man nirgendwo hinkonnte, weil der ÖPNV für zwei Personen zu teuer und das Auto nicht mehr fahrtauglich war, stellte ich mich mal wieder, auf ein lahmes Wochenende ein. Vielleicht spiele ich dann wieder, ein bisschen Minecraft und baue, ein paar neue Gebäude. Dann würde es nicht ganz so langweilig werden, wenn da nicht, die miese Internetleitung wäre. Nun gut, man konnte im Leben auch nicht alles haben. Wenigstens mussten wir schon mal nicht mehr, verhungern.
Die Moral
Grundsätzlich sollte man sich zweimal überlegen, ob man dem Jobcenter eine Änderung mitteilte oder noch gewiss abwartete. Gut, das mit dem BAföG, wäre ohnehin zum Jobcenter gegangen. Aber gewisse andere Änderungsmitteilungen, hätte man sich zweimal überlegen sollen. Sobald nämlich eine Zahlung fehlend war, konnte man schauen, wie man am Kacken bliebe. Die verlangten von einem viel, was ich durchaus nachvollziehen konnte. Aber die Tatsache, dass man Monate lang, ohne eine Rückmeldung und ohne Geldeingänge verbleiben musste, empfand ich persönlich, als nicht so prickelnd. Da zahlte ich dann lieber, eine Überzahlung zurück, falls eine vorhanden wäre, anstatt blöd aus der Wäsche schauen zu müssen und nichts bezahlen zu können. Von Hartz IV zu leben, war ohnehin schon psychisch belastend, wenn man nie genug Geld haben würde, sodass man unbeschwert leben konnte. Wer also sagte, dass die Hartz-IV-Empfänger sich nur auf die faule Haut legen würden, der schien wohl nicht zu berücksichtigen, dass jede Änderungsmitteilung geschweige denn, ein Weiterbewilligungsantrag durchaus, stressreich sein konnte. Bekam man dann auch noch Jobvermittlungsvorschläge, die einen nicht weiterbrachten, sorgte auch dies für einen depressiven Schub und man stellte sich und das Amt dauernd infrage. Meintet ihr vielleicht, dass es mir Spaß machte, ständig zusehen zu müssen, dass wir am Kacken blieben? Nein, sicherlich nicht und ich wünschte mir schon, einmal zu oft, einen Lottogewinn oder eine vernünftige Arbeit, wo ich mit 2000€ Plus, die Firma verließe. Aber dafür, hätte ich eine abgeschlossene Berufsausbildung benötigt. Nun, mit 34 Jahren noch, eine Ausbildung zu machen, hielt ich persönlich, für schier unmöglich. Trotzdem lebte ich irgendwie. Keine Ahnung, wie... aber ich lebte.
Quellenangaben
Texte und Bilder von: Björn Schubert (Chas York)
Recherche: Die Erfahrung
(C) by YORK INTERNATIONAL / VERLAG BJÖRN SCHUBERT 2022
Teilen:
Kommentare
Einen Kommentar schreiben