Was-war-vor...
Schwerte / Welt, 09.09.2021 - 20:30 Uhr - Artikel von: Björn Schubert (Chas York) - Lesedauer: ca. 10 Minuten
20 Jahren?
Es war ein sonniger Nachmittag im Jahr 2001. Ich lebte damals noch mit meinen Eltern und meiner Schwester zusammen, in Dortmunder Osten und wir machten, nachdem ich aus der Schule gekommen war, nach einem stressigen Tag, Pläne für diesen Abend. Auf dem Plan zum Abendbrot, standen „süße Waffeln“, die ich und meine Schwester uns, von unserer Mutter gewünscht hatten. Im Fernsehen lief, eigentlich wie immer, das RTL-Programm und es sollte später, auch eigentlich wie immer bei uns, so gegen 18 Uhr, auf PRO7 umgeschaltet werden.
Ich war ein mieser Schüler. Dies konnte man auch, anhand des Zeugnisses, welches ich zu Beginn dieser Sommerferien bekommen hatte, deutlich sehen. Daran war ich aber auch nur ich alleine Schuld, sondern meine Mitschüler, trugen damals eine relativ große Mitschuld, an meiner Schullaufbahn. Ich war ein Mobbingschüler, der ständig verbal oder körperlich angegriffen wurde. Kein Wunder, dass ich dann irgendwann, an diesem normalen 11. September 2001-Dienstag, mit blauen Flecken nach Hause gekommen war. Allerdings musste ich dazu sagen, dass es mir inzwischen nichts mehr ausmachte, verhauen zu werden. Immerhin, es war Gewohnheit und brachte mich stets, in ziemlicher Verwirrung, wenn es mal einen Tag gegeben hatte, an dem ich nicht eins aufs Maul bekommen hatte. Die Ferien waren gerade, 3 ½ Wochen vorbei und ich schrieb auch schon, die erste Klausur in Geschichte. Kein sonderlich interessantes Fach, weil ständig nur, über den 2. Weltkrieg erzählt wurde, was ich persönlich, ziemlich nervig gefunden hatte. Als wir dann endlich den Kalten Krieg durchnahmen und dieses Thema dann auch, in der Klausur vorgekommen war, schien der Unterricht für mich wieder, etwas Interessanter geworden zu sein. Ich kam dann irgendwann, so gegen 13:00 Uhr nach Hause. Ich hatte an diesen Tag, nur 5 Schulstunden gehabt, weil eine Lehrerin krankgeworden war.
Ich ging in mein Zimmer, schleuderte wie immer, meinen Rucksack in die Ecke und ging dann ins Wohnzimmer und fragte meine Mutter, was es denn zu Essen geben würde. So mit Abstand eigentlich, war das meine erste Frage gewesen, wenn ich heimkam. „Waffeln, wie du wolltest.“, sagte sie genervt, fast so, als hätte ich es wissen müssen und bloß wieder einmal, vergessen. Mir war klar, dass wir dafür aber, nicht ausreichend Sachen im Hause hätten und wir noch dann, dafür einkaufen müssten. „Ich brauche noch Milch. Wenn ihr die vergesst, dann kannst du dir deine Waffeln abschminken.“, meine Mutter, besaß eine saloppe Sprache auf der Zunge. Stets blieb sie, im Befehlston und dies auch noch, sehr laut. Aber so war sie eben und lieb, hatten ich und meine Schwester, sie trotzdem gehabt. Ich zupfte daraufhin meinen Vater, an seinem T-Shirt der aktuell etwas, in der Glotze schaute. Ich hatte keine Lust darauf gehabt, alleine einkaufen zu gehen. Begeistert darüber, was er sich dort mal wieder ansehen musste, war er zwar nicht. Allerdings besaß er auch keine Wahl, dies zu ändern. Das Hoheitsrecht der Fernbedienung, oblag noch immer, unserer Hausherrin.
Der Einkauf
Mein Vater zog sich an und nahm den Einkaufszettel entgegen. Allerdings riss ich ihn diesen, aus der Hand, um darauf die Fehler zu lesen, die meine Mutter wieder geschrieben hatte. Sie war leicht legasthenisch angehaucht, wozu sie nichts konnte. In den 60er und 70er-Jahren, war es wohl noch nicht so wichtig gewesen, wie in diesem Jahr, schulische Leistungen zu erbringen. So kam es dann halt, dass sie in dem Wort „Fischstäbchen“, gleich sämtliche Fehler einbaute, die ihr eingefallen waren. Heraus kam dann, ein ganz seltsames Wort „Fischschtäppchen“, bei dem jeder Lehrer vermutlich, lachend in eine Kreissäge gelaufen wäre. Bei ihr war der Artikel für Käse auch „die“. Aber egal. Wir waren gerade drauf und dran, zum Penny-Markt herüberzugehen, als plötzlich die Gameshow im Fernsehen „Der Schwächste fliegt“, mit Sonja Zietlow, unterbrochen wurde. Keine Ahnung was dies sollte, aber statt Werbung, kam das Intro von „RTL-News“ und dort saß der Anchorman (Haupt-Nachrichtensprecher) Peter Klöppel vor der Kamera und blicke ziemlich verwirrt, überrascht und gleichzeitig auch, panisch drein.
15:09 Uhr. „Was soll denn der Scheiß jetzt?“, alle dachten wohl, in diesem Moment dasselbe. Als die Melodie und das Titelbild von „RTL News“ ertönte, waren wir etwas geschockt, denn sowas passierte nie, mitten im Programm. Für Peter Klöppel schien dies Wohl, ein Moment gewesen zu sein, den selbst er nicht erwartet hatte. Das zeigte auch die Gegebenheit, dass er wohl improvisieren musste, weil er keine Blätter in der Hand hielt, wie sonst immer. Man erkannte deutlich, dass er mit eigenen Worten zu sprechen versuchte und diesmal nicht, vom Blatt ablas. Peter Klöppel, der Nachrichtensprecher, der fast schon zu unserer Fernsehfamilie gehörte, unterbrach das laufende Programm also, mit dieser Meldung – er war völlig fertig und niedergeschlagen:
„Verehrte Zuschauer, guten Tag. Wir unterbrechen an dieseeer äh, Stelle die Sendung ‚Der schwächste Fliegt‘, für eine wichtige Nachricht, die uns im Moment hier, aus New York erreicht. Offensichtlich hat sich ein Anschlag auf das ‚World Trade Center‘ ereignet. In New York, in Manhattan. Sie wissen, das größte Gebäude, in Manhattan. Offensichtlich haben zwei… Flugzeuge… die beiden großen Türme, die dort nebeneinander stehen an der Südspitze von Manhattan, getroffen. Eine Explosion gerade eben erst, vor wenigen Minuten, man konnte das Flugzeug noch sehen, auf einem Bild, dass uns gerade eben erreicht hat, als dieses Flugzeug, in den Turm hereinraste. Das erste Flugzeug hat offensichtlich, den nördlichen Turm, vor ungefähr 20 Minuten, getroffen. Wer hinter diesen Anschlägen steckt, ist völlig unklar. Die Anschläge äh, haben einen Bereich getroffen, etwa in Höhe der 80. Etage, des World Trade Centers […]. Wie viele Menschen dort… Sie sehen jetzt, gerade… hier in dem großen Bild, die Explosion, wie ein Flugzeug, den linken, also den… südlichen Turm, des World Trade Centers trifft. Eine riesige Explosion, in diesem Moment. […] Wir können nichts über die Zahl der Opfer sagen. Aber Sie können erkennen, anhand dieser Bilder, dass es sich um… äh… eine Explosion ungeahnten Ausmaßes… äh… handelt, bei dem mit Sicherheit… mehrere hundert Menschen… ums Leben gekommen sind… Das World Trance-Trade Center steht jetzt, in beiden Türmen, offenbar in Flammen. Es hat immer wieder ja Hinweise darauf gegeben, dass es radikale Gruppen geben könnte, die Anschläge auf große Gebäude, auch in den Vereinigten Staaten, verüben könnten. Es gibt aber bisher keine weiteren Hinweise da drauf. Die Zahl der Opfer, wie gesagt, ist auch unklar. Alles was wir sagen können, ist, beide Türme stehen in den oberen Bereich in Flammen. In den vorderen Turm befindet sich, oben in etwa der Höhe der hundertzehnten Etage, die große Aussichtsplattform, auf der Touristen ja immer wieder den Blick über Manhattan und über New York genießen können […].“
Wir sahen uns alle in Gemeinschaft, selbst meine Schwester, die Bilder aus New York an und waren sichtlich geschockt. In diesen Moment, als diese Bilder durchs Fernsehgerät flimmerten, wusste keiner mehr so recht, was er sagen sollte und wir alle, waren still. Niemand sagte ein Wort und dabei fiel mir so viel ein, was ich fragen wollte, es aber nicht konnte, weil meine Stimmbänder wie eingefroren wirkten. Dort wo diverse Filme gedreht wurden, dort standen die zwei Gebäude nun in Flammen. Meine Schwester fragte mich irgendwas, aber ich konnte nicht antworten. Denn ich war einfach viel zu sehr damit beschäftigt gewesen, dieses Geschehen mitzuverfolgen. Wir vergaßen die Jugos aus dem Kosovokrieg damals, was uns da schon heftige, Angstmomente bescherte und wir vergaßen den Stress, den wir in der Nachbarschaft hatten. Niemand war mehr draußen, nicht einmal ein Hund. Alle Kinder und die Erwachsenen, saßen in diesem Augenblick vermutlich, vor dem Fernseher und verfolgten das Geschehen in New York. Ich bat meinen Vater darum, alleine den Einkauf zu machen, aber auch er wollte nicht. Denn das mit dem World Trade Center, schockte auch ihn.
Noch nach einer halben Stunde, berichtete „RTL-News“, über dieses schreckliche Ereignis und man sah ein Video, in dem George W. Bush, der Präsident der Vereinigten Staaten, in einer Schule mit Kindern saß, die ihm aus einem Buch vorlasen. Einer vom Secret Service, teilte Bush leise mit, was in New York passierte. Denn er wusste davon noch nichts, was dazu führte, dass Bushs Gesicht, immer wütender geworden war. Deutlich in seinem Gesicht, konnte man die Verachtung vor diejenigen ablesen, die dafür verantwortlich gewesen waren. Sicherlich hatte Bush damals schon, eine leise Ahnung, wer dies in Auftrag gegeben haben könnte. Allerdings kann man dabei nur mutmaßen. Nur schwerlich, das sah man ihm an, konnte er sich, auf die Vorlesung des Kindes in dieser Schule, konzentrieren und malte sich vermutlich schon aus, wie er diesen Anschlag, bestmöglich vergelten könnte.
Weitere Flugzeuge stürzten ab
16:37 Uhr: Ungefähr zu dieser deutschländischen Zeit, krachte ein Flugzeug, mit der Kennung AA 77, in das Pentagon, worin die Insassen in dieser Maschine, alle umgekommen waren. Als den Menschen bewusstwurde, dass anscheinend noch weitere gekaperte Flugzeuge, in der Luft waren, sperrte man jeglichen Flughafen auf der Welt ab. Alle Flüge wurden sicherheitshalber gestrichen und auf den Flughäfen ging nichts mehr. Es gingen, auf diesem Sender wieder Berichte ein, dass das WTC1 auf der Nordseite stark beschädigt wurde. Das Flugzeug krachte in dieses Gebäude, in der Höhe der 93. und 99. Etage ein und im WTC2, kollidierte die Flugmaschine mit dem Gebäude, in Höhe des 77. und 85. Stockwerkes. Dazwischen überlebte keiner mehr, den Aufprall.
15:59 Uhr: Während ein Hubschrauber der CNN, um die Gebäude kreiste, hörte man deutlich ein lautes Grummeln. Die Berichterstatter am Boden, nahmen dieses Geräusch ebenfalls wahr und selbst im Fernsehen wurde dieses, hörbar dargestellt. Das WTC 2 verursachte plötzlich, eine riesige Staubwolke, oberhalb der Einschlagsstelle und tonnenweise Schutt fielen, zwischen den Häuserschluchten, herab. Aus dem Nebengebäude sah man deutlich, wie die Menschen, aus dem Einschlagsbereich, dort wo die meisten Rauchschwaden herauskamen, aus der Höhe in die Tiefe sprangen. Zu stark schien wohl, die Hitzeeinwirkung gewesen zu sein, sodass die Menschen in diesem Gebäude, keinen Ausweg mehr fanden. Vermutlich bekamen sie auch mit, dass das nebenbefindliche Gebäude einstürzte und rechneten damit, dass, wenn sie dort nicht mehr herausgekommen wären, dass ihnen genau dasselbe passieren würde. Doch der verzweifelte Sprung in die Tiefe, brachte ihnen auch letztendlich, den schnellen Tod.
16:03 Uhr: Ein Bericht kam ins Studio von RTL-News. Offenbar stürzte ein weiteres Flugzeug bei Shanksville ab, in dem es ebenfalls, keine Überlebenden gab. Nicht einmal die Terroristen. Ganze 25 Minuten später um,
16:28 Uhr, stürzte das zweite Hochhaus, das World Trade Center 1, in sich zusammen. Die Menschen, die sich nicht mehr aus dem Gebäude befreien konnten und selbst die, die sich vor dem World Trade Center noch aufhielten, kamen ums Leben. Darüber, dass die Gebäude beide eingestürzt waren, war ich nicht nur unglaublich wütend, nein. Ich war richtig geschockt, traurig und konnte meine Verwirrung dadurch, nicht mehr beschreiben. Alles kam mir und vermutlich den Betroffenen auch, so surreal vor. Fast so, als wäre man in einem bizarren und realistischen Actionfilm gestolpert, den man unter keinen Umständen sehen möchte. Überall, auf jedem Sender, wurde das Regelprogramm unterbrochen, nicht mal "9Live" machte weiter, mit ihren Gameshows. Jeder deutsche Sender, berichtete stundenlang, über die Ereignisse an diesem Dienstag, der eigentlich ganz normal begonnen hatte. Trümmer des einstürzenden Nordturms beschädigten das World Trade Center 7 schwer und lösten anhaltende Innenbrände aus. Dieses Gebäude wurde, wegen Einsturzgefahr evakuiert und kollabierte, um 17:20 Uhr (amerikanischer Zeit). Die Berichterstattung ging vermutlich noch, bis spät in die Nacht hinein. Allerdings musste ich leider wieder, am nächsten Tag, in die Schule und konnte nicht weiter die Nachrichten verfolgen.
Die Jahre danach
Die Jahre danach, hatte sich die Menschheit komplett verändert. In den ersten Jahren, herrschte noch Angst davor, dass auch bei uns im Lande, ein Anschlag passieren könnte. Im Fokus geriet damals die Stadt Frankfurt am Main, die, auf Grund ihrer Nähe zum größten Flughafen und damit, dem größten Knotenpunkt Europas, als Terrorziel gelten könnte. Zum Glück trat diese Gegebenheit niemals ein. Die Sicherheitsvorkehrungen wurden seither, gründlich verschärft, sodass kein solcher Anschlag mehr möglich gemacht werden konnte. Die Cockpits in den Flugzeugen, wurden allesamt mit Sicherheitstüren ausgestattet, die nur noch von innen geöffnet werden können und selbst die Polizei in Deutschland, erschuf neue Einheiten zur Terrorbekämpfung, die es in den letzten 20 Jahren, immer wieder geschafft hatte, Terroranschläge zu vereiteln. Insgesamt kamen bei den Anschlägen am 11. September 2001, inklusive der Taliban-Entführer, 2996 Menschen ums Leben. Mehr als 6000 Menschen, wurden bei den Anschlägen verletzt. Inzwischen mahnt der Ort „Ground Zero“, die Stelle in Manhattan, an welcher die zwei Türme einst gestanden haben und die Geschehnisse passiert waren. Ein Stück weiter entfernt, steht das One-World-Trade-Center, welches am 03.11.2014 eröffnet wurde. Es ist heute, das höchste Gebäude in Manhattan und dessen Außenfassade besteht, zum größten Teil aus einer riesigen Glasfläche. Den Traum den meine Schwester einst hatten, auf die Plattform des alten World Trade Centers zu gehen, wird nie mehr möglich sein. Dafür allerdings besteht die Chance, eines Tages mal einen Blick, vom „One World Trade Center“, zu wagen.
Bei diesem Blogeintrag handelt es sich, um einen Auszug aus „Der Schattenmann 2“. Diese Erzählung, war ein Auszug aus meinem Tagebuch, das diesen Vorfall allerdings, recht nüchtern erzählte.
Quellenangaben:
Text: CY "Der Schattenmann 2"
Bilder von: Wikipedia / YouTube / alte VHS Kassette 11/09/2001
© by YORK INTERNATIONAL / VERLAG BJÖRN SCHUBERT 2001 - 2021
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